Der verräterische Duft von Schuld

"Warum nimmt der Mächtige in der Welt sich nie den einfachen Mann zum Vorbild?", japanische Weisheit

Das Rad der Geschichte eigenhändig zum Guten hinzuwenden beim kommenden Schachzug, nicht bloß hinabgestoßenes Bauernopfer in gewaltigem Spiel sein - ebendieser Traum ist alt wie die Menschheit.
Warum nimmt der Mächtige in der Welt sich nie den einfachen Mann zum Vorbild? Die überlieferte Weisheit gibt beredtes Zeugnis ab von diesem Wunsch. Sie zeigt die Sehnsucht nach einer friedvollen Welt. Eine, in der alle Wesen glücklich und frei ihr Dasein leben können. Und sie trägt eine unter keinen Umständen versiegende Hoffnung mit sich. Die auf eine Erde ohne Zwang und ohne Not.

Auch ich träume jene Illusion. Obwohl ein Teil von mir fürchtet, dass es zu keiner Zeit makellos wird in unserer Welt. Womöglich erwarte ich sie ebendarum gern des Nachts - und reise lächelnd durch eindrucksvolle Wünsche!
Auf einer solchen Traumreise mitten in der Dunkelheit entdeckte ich die wertvolle Spur, die es jetzt als Geschichte gleichfalls am Tag gibt.
Die von einem scheinbar unbedeutenden japanischen Mann, der sich sein Leben lang vor den Mächtigen beugte - bis zu diesem einen entscheidenden Moment. Einzig darum gibt es ihn wohl, diesen Koch!
Er heißt Yamamoto. Wie der berühmte General, der einst Pearl Harbor zerstörte. Aber er vollbringt viel mehr als jener mächtige Kriegsherr: Er kämpft für das Glück der Menschen!
Weil er versteht, dass der bescheidene Mann den Frieden braucht, damit die Erde frei von Zwang und Not wird und dem glücklichen Leben gehört. Ein Krieg aber tötet die Träume vom Glück. Wie gut, dass er sich selbst entlarvt, durch den verräterischen Duft von Schuld!


Erzählung
ab Sep 10, 2023 als Elektro- und Taschenbuch, 4. Auflage
bei tredition

Beschreibung 1 min
Der verräterische Duft von Schuld

1945. Schloss Cecilienhof in Potsdam. Wenige Tage nach der deutschen Kapitulation.

Der Kampf auf dem Schlachtfeld ist vorbei. Während die Sieger erbittert um die Reste des Dritten Reiches balgen, sorgt Yamamoto, der Koch, für das leibliche Wohl von Stalin und seinen Männern. Da entdeckt er ihren schrecklichen Plan. Und seit sie wissen, dass er es weiß, wollen sie ihn zum Schweigen bringen. Bis tief unter die Erde verschleppen sie ihn. Niemand soll erfahren, was er gesehen hat!
Aber dann ist Yamamoto plötzlich allein. Ganz allein! Denn Truman, Churchill und Stalin - sie sind alle tot! Doch er begreift, dass er viele retten kann, wenn er den nötigen Mut aufbringt!

Ein tückischer Plan, um den Frieden zu ermorden - gleich wieder, nach dem Krieg. Eine furchtbare Bombe, die die Ewigkeit auslöscht. Und Koch Yamamoto, der seine Schuld abstreift, tief unter der Erde.

Nur für Dich:
Leseprobe
8 min

Der verräterische Duft von Schuld

Yamamoto schloss die schwere Tür hinter sich. Einen Atemzug lang genoss er die Stille im Raum und sog den rauchigen Duft des Küchenofens ein. Dazwischen lag schwer und träge der Geruch der heute bereiteten Mahlzeit. Borschtsch. Yamamoto stieß die Luft durch die gespitzten Lippen und schaltete die Zimmerbeleuchtung ein.
Das trübe Licht der einen nackten Glühlampe unter der Decke langte gerade, um die Schatten von allem hier an die Zimmerwände zu malen. Zu mehr nicht. Die einst grüne Farbe der getünchten Wände war grau und fleckig geworden, der alte Holzboden mit den losen Brettern knarrte bei seinem Tritt nach vorn, und hinter den verbogenen Regalen zog es eisig hervor.
Yamamoto schüttelte sich. Es behagte ihm nicht, das deutsche Schloss Cecilienhof in Potsdam.
Er band sich eine Schürze um und krempelte die Ärmel hoch. Zuletzt nahm er vom Ofen einen bauchigen Topf auf, in dem Wasser dampfte. Er trug ihn zu einem steinernen Trog hin und goss den Inhalt über die darin gestapelten Töpfe und Pfannen. Denn der Abwasch gehörte zu seinen Pflichten. Schließlich war er der Koch. Der Koch von Iossif Wissarionowitsch Stalin.
Ganz in Gedanken drehte Yamamoto an einem rostigen Wasserhahn. Gurgelnd fiel eiskaltes Wasser hinab in das steinerne Becken und mischte sich darin mit dem heißen Nass. Immer wieder tunkte Yamamoto prüfend eine Hand ein.
Während er so wartete, erkannte er durch das Fenster hindurch die Soldaten im Park. Rotarmisten mit Gewehren hielten dort draußen Wache. Sie waren die reglosen Schatten im Dunkel. Keinem Eindringling war es bisher gelungen, durch ihre Reihen zu schlüpfen. Von hier fort kam auch nicht jeder. Ihn jedenfalls ließen sie nicht hinaus. Sie waren aufmerksam. Unbarmherzig waren sie.
Anfangs hatte Yamamoto ihnen heißen süßen Tee nach draußen gebracht. Und gebuttertes Brot. Er wusste, dass sie froren in ihren Stiefeln, die sie von Stalingrad bis hierher durchgelaufen hatten. Er fühlte förmlich, wie ihre fadenscheinigen Uniformen jeden Wind bis auf die nackte Haut hindurch ließen. Gerade wenn es kalt wurde in der Nacht. Und klamme Müdigkeit sie umschlich.
Doch sie nahmen nichts und sahen durch ihn hindurch zu den feindlichen Schatten. Die sie beschützten, wärmten sich an glühenden Öfen und rauchten derweil.
Irgendwann, nach Tagen, hatte er es aufgegeben.
Jetzt sah er ihnen aus seiner Küche heraus nur noch zu bei ihrem Frieren in der Nacht. Und freute sich, wenn er den alten schwarzen Kater inmitten von allem entdeckte.
Das Tier strich häufig durch den Park. Sein struppiges schwarzes Fell und das Hinken spiegelten zwar all die Entbehrungen und Kämpfe seines Lebens. Doch es verschmolz immer noch geschickt mit den Schatten im Park. Die Wachen bemerkten nicht einmal, wenn es lautlos an ihnen vorüber schlich.
Yamamoto bewunderte das Gespür des Katers. Sicher war er hungrig wie die Menschen dort draußen. Doch er vergaß nie seine Vorsicht. Wie Yamamoto selbst hatte er den Krieg überlebt.
Gerade schlüpfte der Kater wieder unter dem großen Busch hervor, ohne dass sich dessen Zweige bewegten. Dicht und voller Stacheln reichten sie bis zum Boden hinab vor dieser alten rostigen Tür und den halb verfallenen Mauern im Park. Er musste dort einen Unterschlupf haben. Aufmerksam sah das Tier zum Schloss herüber. Als erwarte es ein Zeichen.
Während Yamamoto mit der Linken den Wasserhahn schloss, öffnete er mit der anderen Hand das Fenster einen Spalt breit. Schnell trocknete er einen Teller danach und griff sich eine Konservendose aus dem Regal.
Als er sie eben öffnete, strich der Kater schon schnurrend um seine Beine.
Die Wärme aus dem Trog dampfte hinaus in die kalte Dunkelheit, während Yamamoto dem Tier den Teller mit Fleischbrocken füllte.



Neugierig, wie Yamamoto nach Potsdam gekommen ist? Gespannt, wie es alles endet?


© Copyright: 2024 Andreas Krauße. Alle Rechte vorbehalten. Geistiger Diebstahl ist nicht nett - und übrigens strafbar.

Datenschutz       Impressum




Offline Website Creator