Herr Espada und das zerbrochene Leben

In der Zwischenwelt. Bei König Artus. Oder heute. Wer weiß das schon, wenn es dazwischen ist?!

Seit fünfzig Jahren steigt Herr Espada hinauf zur Höhe über der Stadt. An jedem einzelnen Tag tut er das. Und nie ist etwas passiert. Nicht in fünfzig Jahren!
Heute aber gerät der Spaziergang aus den Fugen. Erst fängt es in Strömen zu Regnen an. Dann tobt ein geheimnisvoller Sturm über die Höhe und verwebt die Zeiten.
Herr Espada erträgt alles geduldig – bis auf das klägliche Winseln danach in den Trümmern der alten Kapelle.

»Was kaputtgeht in der Zeit, will instand gesetzt werden!«


Kurzgeschichte. 2020 im Verlag epubli erschienen. Taschenbuch mit 36 Seiten und als E-Buch.

Herr Espada rückte den Hut zurecht. Einen Tropfen Schweiß wischte er von der Stirn fort, danach wechselte er den gefalteten Mantel in die andere Hand. Fast hätte er den Gehstock fallenlassen, als er den weißen Hemdkragen lüftete. Nachdem er alles erledigt hatte, stellte er sich ganz an den Rand des Höhenrückens. Die weiträumige Wiese im Rücken, betrachtete er die Stadt im Tal.
Unter den satten Wolken am düsteren Himmel schien sie ihm vollendet. Ihre Türme reckten sich makellos hinauf wie gerade Speere. Und das Meer aus Ziegeldächern unterhalb offenbarte sich den fliehenden Wolken in unendlich kostbaren Farben, geschwungen wie eine versteinerte Woge. Niemals würde dieses Bild in ihm verblassen!
Die unruhigen Töne in den Straßen jedoch vergaß Herr Espada gern hier oben. Das laute Lied der Neuzeit störte sein Bild von der festen Stadt nur. Aus diesem Grund schlenderte er, den alten Mantel über dem Arm und auf den Gehstock gestützt, jeden Tag aus der Stadt hinaus und atmete schwer, bis er die Höhe endlich erklommen hatte. Seit fünfzig Jahren tat er das.
Hier oben fiel es Herrn Espada leicht, die Welt so zu erkennen, wie er sie mochte. Sie so zu sehen, war alle Anstrengung wert!
Von Außen schien sie ihm weiterhin liebenswert und unverrückbar. Denn alles darin bewegte sich anmutig und voller Ruhe. Herr Espada fand diese stille Welt weit unversehrter als die, in der er die übrige Zeit verbrachte. Sie existierte ohne die Makel, die ihn aus der Nähe störten. Was kaputt ging mit der Zeit, wollte instand gesetzt werden, glaubte Herr Espada.

Die Menschen heutzutage waren anderer Meinung und kümmerten sich nicht darum.

© Copyright: 2024 Andreas Krauße. Alle Rechte vorbehalten. Geistiger Diebstahl ist nicht nett - und übrigens strafbar.

Datenschutz       Impressum




Offline Website Builder