Was das Meer dir gibt

»Was würdest du tun, wenn du an einen schwarzen Strand gespült wirst, den du vergessen hast? Wenn du durch Augen schaust, die nichts wiedererkennen? Und dein Kopf ein Loch hat, durch das die Erinnerungen fortgeflogen sind? Ich werde dir sagen, was ich getan habe. Denn es kommt darauf an, was das Meer dir gibt!«, Anne


Roman
ab Sep 01, 2023 als Elektro, Taschenbuch und Festeinband
bei tredition

Beschreibung 2 min
Was das Meer dir gibt

1942. Indonesien. Bandasee. Mitten im Pazifischen Krieg.

Alles hat Anne verloren. Das ganze Leben bis hierher. Denn durch das Loch im Kopf sind die Erinnerungen fortgeflogen. Nur, dass sie auf dem Meer umhergetrieben ist, weiß sie. Und dass sie an diese winzige Insel geworfen wurde, die sie nicht kennt. Mit Palmen. Schwarzem Sand. Und einer außergewöhnlichen Seebrücke.
Aber die Bewohner des Dorfes vertreiben sie. Das Letzte, was sie brauchen nach dem Tsunami, ist ein Meergeist, der sie heimsucht. Kein Mädchen überlebt das wütende Meer!
Hungrig verfolgt Anne, was auf der Seebrücke vor sich geht. Bestaunt die hellen Ausflugsdampfer und ihre Gäste. Sieht zu, wie die Händler ihre Vorräte verstauen. Stiehlt nachts davon, was sie braucht. Und ahnt, dass sie das alles längst gesehen hat.
Die Garküche, die so ganz anders ist, zieht sie magisch an. In ihrem Innern entdeckt sie ein altes Geheimnis. Der Besitzer ist der Einzige, der ihr hilft. Und als sie ein Tagebuch findet, in dem steht, wie der Baumeister der Seebrücke das Glück verlor, muss sie unbedingt an den Platz, wo alles geschehen ist.
Aber sie wird entdeckt und muss in den Urwald fliehen. Und auch wenn ein Jaguar ihr Gefährte sein will, und sie unter Wasser das uralte Geheimnis des Dschungels entdeckt: Sie bleibt ganz allein.
Als der letzte Dampfer Flüchtlinge an Bord hat, ändert sich alles. Die Bestie hat Pearl Harbor zerstört. Jetzt erobert sie die Bandasee. Insel für Insel. Und immer, wenn sie landet, hisst sie die Flagge mit der roten Sonne. Jeder, der dann noch lebt, muss entscheiden, welche Seite er wählt. Der Preis für ein Herz, das sich nicht versteckt, ist besonders hoch! Vor allem, wenn das Grauen erwacht. Wenn ein Handel nicht mehr gilt. Und es das Leben kostet, wenn man sich wehrt.

Bekommt Anne überhaupt die Chance, zu entdecken, wer sie wirklich ist? Darf Lin endlich zeigen, wen sie über alles liebt? Kann Tong seinem Herzen folgen? Denn viele sind auf der Suche nach dem Glück, als der Kampf der Bestien vorüber ist. Und jeder, der es fangen will, muss etwas dafür tun.

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Leseprobe
8 min

Die Bestie kommt

Kapitelauszug aus "Was das Meer dir gibt"



Anne schrie in den Morgenhimmel hinauf. So schrill sie konnte.
Wie eine lebende Galionsfigur hing sie, nur mit einem Fuß eingekeilt, an einem Mast. Genau in der Mitte der Seebrücke. Die Stimmbänder taten ihr weh. Aber sie überwand diesen Schmerz. Heute musste es sein. Sie hatte die Aufgabe, die Inselbewohner zu warnen. Solange sie eine Stimme hatte, würde sie genau das tun!
An den schneller werdenden Bewegungen der Insulaner erkannte sie, dass diese den Warnruf bemerkt hatten. Da kletterte sie vom Mast hinab. Und rannte zu Satria in die Garküche.
»Vier Rauchsäulen habe ich gezählt!«, keuchte sie vom schnellen Lauf. »Eine dicke hohe. Und drei kürzere. Sie brauchen wohl noch eine halbe Stunde, bis sie hier sind! Aber dahinter ist der ganze Himmel schwarz vom Kohlenrauch.«
»Das ist die Bestie!«, Satria presste die Kiefer aufeinander, als erinnere er sich. »Sie werden zuerst Flugzeuge schicken! Pack das Wichtigste ein! Wir müssen sofort hier weg!«
Anne wollte noch schnell die Luke zur Betonblase aufstemmen, um ihre Sachen zusammenzutragen. Aber es war bereits zu spät für die Flucht.
Es kreischte laut, als etwas Schweres auf der Seebrücke einschlug. Ohrenbetäubend laut. So heftig, dass Anne zusammenzuckte. Sich blindlings duckte. Und sich die Ohren zuhielt. Trotzdem.
Die Druckwelle danach warf sie zu Boden. Die ganze Küche wackelte, während sie sich auf dem Boden wälzte. Als fiele sie jeden Moment in sich zusammen.
Die Bestie hatte die Seebrücke getroffen!
Anne blieb auf dem Rücken liegen. Wusste nicht, ob sie noch lebte. Starrte nach draußen.
Die Bambusmatte über dem Vordach zerrte noch immer an den Seilen. Sie war an ein paar Stellen eingerissen. Als wolle sie dieser Hölle um jeden Preis entrinnen.
Anne registrierte das, während sie vorsichtig den Kopf hob.
Sie spürte, dass große Angst aufkam in ihr. Mitten in einem in den Himmel gerichteten Blick. Aber ihre Instinkte aus dem Urwald funktionierten. Auch wenn sie in ihrem Kopf fast nichts mehr hörte. Außer diesem tiefen Brummen.
Sie sprang auf die Beine, riss den Speer an sich, und half Satria auf, der sich hart gestoßen hatte, so, wie er sich an den Herd klammerte. Er schien große Schmerzen zu haben.
Mit ihm zusammen stolperte sie aus der Küche hinaus. Schwer stützte er sich auf sie, schien benommen von dem Sturz.
»Ich habe mir die Rippen gebrochen!«, ächzte er.
Und fasste mit der freien Hand dorthin, wo der Schmerz ihn quälte. Aber er setzte einen Fuß vor den anderen.
Und Anne wusste, dass sie aufpassen musste, wo sie Satria berührte. Sie kämpfte mit ihrem Zucken bei jedem Krachen. Doch sie strengte sich an, Satria nicht loszulassen. Ihn hatte es erwischt. Nicht sie!
Langsam kamen sie vorwärts. Viel zu langsam! Die Treppen sah sie kaum noch in all dem Qualm, der in die Augen biss.
Überall über den Bambusmatten rasten schwarze Schatten umher. Sie zerschnitten das Licht der Sonne, wenn sie es laut kreuzten. Wie Messer, die durch Fleisch schneiden. Und immer danach krachte es irgendwo laut. Mit einem hässlich aufdringlichen Kreischen vorweg. Dann zerrissen Bambusmatten. Zerbarsten Küchen. Und wirbelten Bretter durch die Luft.
Auf einmal stellte sich ihnen ein Mann in den Weg. Blutverschmiert. Und mit einer tiefen Narbe im Gesicht. Sie sah gefährlich aus. So sehr, dass Anne erschrak.
Aber sie beruhigte sich schnell wieder. Soweit das gerade ging. Denn die Narbe war bereits alt. Doch sonst hatte der Mann reichlich Blutspritzer im Gesicht!
Doch das war es nicht, was Anne bestürzte. Das war etwas anderes.
Der Narbige wollte wirklich auf Satria einschlagen! In diesem Moment raste die Wut so sehr in ihm, dass er seinen Anstand vergaß!
Anne wusste sich nicht anders zu helfen, als den Speer auf ihn zu richten. Und der war länger als die Arme des tobenden Mannes. Wie ein tollwütiges Tier sprang er vor der Speerspitze hin und her. Was, wenn er ahnte, dass sie vor der Spitze ihres Speers mehr Furcht hatte als er?! Sie konnte ihn doch nicht abstechen, nur weil er erregt war!
»Das habe ich jetzt von deinem tollen Plan, Satria!«, der Mann schnaubte regelrecht.
Wieder musste Anne den Speer gegen ihn erheben. Erneut wollte er Satria schlagen. Und wieder kam er nicht vorbei an ihr.
Da blieb er auf einmal wie angewurzelt stehen. Er hatte begriffen, dass er jetzt nicht zum Ziel kam. Ballte als Letztes die Fäuste. Knurrte.
»Meine Küche ist zerstört! Nichts davon steht mehr! Ich habe alles verloren! Das wirst du noch bereuen, Satria! Wir hätten sie einfach anlegen lassen sollen!«, dann zog er ab.
Anne sah ihm nach.
Immer wieder schlug der Mann mit den Fäusten in die Luft. Als zerreiße er dort ein erdachtes Opfer. Und immer, wenn seine Fäuste das Nichts getroffen hatten, stampfte er mit dem Fuß wütender auf als zuvor.
Anne war unfähig, sich zu regen.
Wieso gab dieser Mann Satria die Schuld?! Die Bestie war es doch, die alles zerschlug!
»Wir müssen von der Seebrücke runter!«, Satria stieß sie an.
Er hatte sich gerade gemacht. Zeigte auf die wenigen intakten Reste der Bambusmatten. Ringsum stank es nach verkohltem Holz. Drei oder vier Garküchen brannten.
Mit einem Ruck zog Satria Anne vorwärts. Sie wusste nicht einmal, weshalb sie taumelte. Es berührte sie nicht, als sie über einen Toten stolperten. Sie hatten ihn im dichten Rauch zu spät entdeckt. Die Wut des Mannes eben hatte sie derart erschüttert, dass sie in einer Schockstarre steckte. Sie verstand es einfach nicht!
Deshalb blieb sie wohl aufrecht stehen, als ein Flugzeug auf sie zugerast kam. Als rings um sie die Patronen durch die Bohlen fegten. Und die Splitter so schnell an ihr vorbeiflogen, dass das Blut erst aus ihrer Seite spritzte, als die Holzfetzen längst am Boden lagen.
Anne schrie markerschütternd auf. Riss die Arme vors Gesicht. Und beugte die Schultern. So stand sie da. Unbewegt. Zitterte.
Erst nach einer Weile starrte sie ungläubig auf ihre blutende Taille. Verdutzt. Und tunkte in aller Seelenruhe die Finger in die Wunde. So, als wolle sie deren Tiefe ausmessen.
Ganz langsam, wie in Zeitlupe, holte sie einen Splitter heraus. Als ginge es nur so. Als träume sie dabei.
Satria riss ihr die Hand von der Wunde fort. Sah sie staunend an. Hielt ihr einen Lappen hin.
»Drück ihn drauf!«, schrie er sie an und schüttelte sie durch.



Neugierig, was Anne bis hierher erlebt hat? Gespannt, wie es weitergeht?


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