Das tanzende Licht

Jedes Jahr wieder. Zur Weihnachtszeit.

Ein einsames Mädchen, das ziellos durch die große Stadt irrt, und das niemanden hat.
Ein kleiner Brunnen, aus dem das Lachen von Schmetterlingen kommt, als wäre es Frühling.
Und die alte Kirche, deren Turm sich in der Nacht versteckt. Bis die Musik beginnt…

“Das tanzende Licht” erzählt die Geschichte eines fantastischen Weihnachtswunders. Und es ist ein Beweis. Dafür, dass uns die Dinge berühren, die wir an unser Herz heranlassen. Dass wir uns wirklich fühlen in diesem Augenblick.
Wenn wir ganz und gar wir selbst sind. Ganz und gar.



Eine Weihnachtswunder-Kurzgeschichte. Am 03.12.2023 im Verlag Tredition erschienen. Taschenbuch mit 25 Seiten und als E-Buch.

Leseprobe.

»Oh, bitte verzeihen sie mir!«, ruft das Mädchen erschrocken.
Mit Lippen, schmal wie ein Strich, starrt sie den Mann an. Mit dem ist sie also eben zusammengestoßen! Sie hört deutlich, wie die dünne Papiertüte in seinen Händen zerreißt. Sieht gelähmt zu, wie der Einkauf auf den Gehweg fällt.
Benommen reibt sie sich mit der Hand den Schmerz fort von ihrer Stirn. In Gedanken spürt sie noch einmal den starken Aufprall. Wie grob der Stoff des Mantels gekratzt hat! Sie schüttelt sich.
Mühsam ist der Fremde inzwischen in die Hocke gegangen. Hat gestöhnt dabei. Und sammelt jetzt auf, was ihm von den Dingen im Schnee noch brauchbar scheint.
Sie hört sein ärgerliches Murmeln. Sieht, wie er grimmig zu ihr herauf starrt dabei.
»Pass doch auf!«, versteht sie als Einziges.
Aber dann, ganz jäh, richtet der Mann sich auf. Atmet geräuschvoll ein. So laut, dass sie erschrocken zurückweicht.
»Ich habe es bestimmt nicht mit Absicht getan!«, flüstert sie bange.
Als müsse sie ihn beschwichtigen.
Aber ehe ihr der Schrecken vollends in die eisigen Glieder fährt, dreht der Fremde sich weg. Mit den Resten des Einkaufs verschwindet er eilig in der Menge. Das Mädchen kann ihn nicht einmal mehr in den Arm nehmen. Alles hat nur drei Herzschläge lang gedauert. Zaghaft zieht sie die ausgestreckte Hand zurück und atmet aus.
Sie sieht sich um.
Mitten in der pulsierenden großen Stadt steht sie. Mit all den hastenden Menschen ringsherum. Und den zahllosen Autos, gleich nebenan, auf der Straße. Und es scheint, als stehe sie als Einzige still. Bloß an der nächsten Ampel warten sie alle zwischendurch. Ungeduldig. Auf das nächste Grün. Das ihnen erlaubt, endlich ein kostbares Stück weiter zu kommen.
Das Mädchen staunt. Es wirkt auf sie, als geschehe alles ferngelenkt.
Ziellos geht sie ein solches Stück weiter. Lässt sich von den anderen mitziehen. Wartet mit ihnen. Bis es wieder Grün wird.
›Es ist ein unsichtbares Seil!‹, denkt sie. ›Und wir alle hängen dran!‹
Doch einen Augenblick weiter hält sie wieder an. Läuft schnell wieder dorthin zurück, wo sie mit dem Mann zusammengeprallt ist. Starrt auf die in den Schneematsch gefallenen Früchte, die schon achtlos zertreten worden sind. Zerstampft von zahllosen hin und her hastenden Schuhen. Und alle hatten sie keine Zeit.
Sich selbst gesehen hatte sie. Knapp vor dem Zusammenprall. Genau an dieser Stelle! Das war es, weshalb sie unachtsam war. Darum ist sie dem Mann vor die Füße gelaufen.

Weil sie sich gesehen hat!

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